Geschichte des Rostocker Wingolf

1850-1865 | 1866-1882 | 1882-1900 | 1900-1913 | bis 1938 | Clausthaler Wingolf „Catena“ | Rostocker Wingolf ab 1995 | Quellen

Entstehung und erste Entwicklung. 1850-1865.

Die Gründung des Rostocker Wingolf:

Rostocker Chargierte in Vollcouleur
Rostocker Chargierte in Vollcouleur

Schon 1826 gab sich ein Leipziger Freundeskreis den Namen „Wingolf“. Dieser „Wingolf“ ist eine der Vorhallen von Walhalla, der Halle Odins, also der Halle der ruhmreich im Kampf gefallenen Krieger. „Wingolf“ stammt demnach aus der nordischen Mythologie und bedeutet soviel wie „Halle der Freundschaft“. Der Begriff Wingolf, den der Leipziger Freundeskreis nutzte, stammt aus einer Ode von Kloppstock: „An meine Freunde“ (1747).
1836 gründete sich die Verbindung Uttenruthia in Erlangen, aus der sowohl der Schwarzburgbund als auch der Wingolfsbund entstanden, die sich 1850 trennten. 1844 gründete sich nun der Wingolfsbund auf seinem 1. Konzil in Schleiz durch Erlangen, Halle, Berlin und Bonn.
Für die Gründung des Rostocker Wingolf waren gerade die Verbindungen Erlangen und Berlin wichtig, da aus diesen Städten seine Gründer kamen. Denn die Sachlage in Rostock war für Verbindungen insofern schwierig, als dass Nicht-Mecklenburger kaum in Rostock studierten und Rostocker ihr Studium in anderen Städten begannen und erst in den letzten Semestern zurück nach Rostock kamen. Die jungen Rostocker Studenten standen Verbindungen im Allgemeinen mit Spott und Verachtung gegenüber. Das zeigt deutlich, dass aus Rostocker Verhältnissen kein Verbindungsleben entstehen konnte.
Im WS 1849/50 gründeten 5 Theologen, Hermann Monich (Be.47, E.U. 49, R.50) Ludwig Danneel (Be. 46, E.U. 48, R. 50), Adolf Goetze (Be. 46, Ha. 48, E.U. 49, R.50), Hermann Hager (Be. 48, R. 50) und Theodor Tarnow (R. 50, Be. 50) am 1. Juni den Rostocker Wingolf Der Duellkomment wurde verworfen, denn die Verbindung gründete sich auf christliche Werte, und nach kurzer Zeit hatte man schon 6 Neuzugänge.

Äußeres und inneres Leben in der Zeit der ersten Entwicklung. 1852-1865:

Im Sommersemester 1852 gab es nur noch 2 Aktive, was die erste Auflösung des Rostocker Wingolf zur Folge hatte. Ostern 1853 kamen jedoch 3 neue Mitglieder aus Erlangen hinzu, so dass der Rostocker Wingolf wieder ins Leben gerufen werden konnte. Er hatte bis 1865 durchschnittlich 8-9 Mitglieder. Begünstigend für die Verbindung war, dass ab 1857 auch Nicht-Mecklenburger anfingen, in Rostock zu studieren, sodass 2 neue Füxe aktiv wurden. Nichtsdestotrotz konnte sich eine gewisse Gesundheit des Rostocker Wingolf nicht einstellen, da man die Verbindung zum Teil nicht einmal fand, denn sie hatte ihr Stammlokal in Warnemünde.
Im Wintersemester. 1859/60 bestand die Notwendigkeit, die Verbindung neu zugestalten. Man erklärte das Prinzip: „Der Wingolf ist eine Studentenverbindung, die, gegründet auf den Glauben an Christum (sic!), ein inniges studentisches Gemeinschaftsleben fördern und pflegen will.“

Die Stellung der Verbindung zu Professoren und Studentenschaft:

Die Verbindung unterhielt für kurze Zeit Kontakt zu einigen Theologieprofessoren, der sich durch kirchenpolitische Zwistigkeiten bald wieder lockerte. Die Studentenschaft hingegen war im Prinzip gezwungen, ein schlechtes Bild des Rostocker Wingolf zu haben, denn er wurde zu der Zeit aufgrund seiner Einzigartigkeit und der geringen Mitgliederzahlen seitens der Zeitungen verleumdet. Die Verleumdungen schlossen ebenfalls die der Verbindung zugetanen Professoren ein. Da halfen auch speziell eingerichtete Theologenkneipen ohne besonderen Komment nicht, um neue Aktivmeldungen registrieren zu können.

Der innere Ausbau. 1866-1882.

Kämpfe um das rechte Verhältnis zwischen der Autorität der Verbindung und der Freiheit des Einzelnen. 1866 – 1873:

Durch die geringe Mitgliederzahl begünstigt lief das Verbindungsleben recht gemütlich ab, anstatt von Gesetzen bestimmt war man eher taktvoll, denn es handelte sich mehr um einen Freundeskreis als um eine Verbindung. Ab 1866 kamen nicht nur Erlanger sondern auch Leipziger Wingolfiten nach Rostock, die Aktivenzahl stieg, was bedeutete, dass die innere Ordnung gefestigt werden musste. Da der Rostocker Wingolf keinen genauen Verbindungsbrauch aufweisen konnte, und die Leipziger und Erlanger sich nicht besonders einzuleben brauchten, prallten bald unterschiedlichste Interessen aufeinander. Demzufolge wurden Leibburschenrechte eingeführt, die Stellung des Kneipwartes gestärkt und Bestimmungen getätigt, die besagten, dass am Abend einer Wingolfskneipe nur diese und keine andere Kneipe besucht werden darf. Durch diese Bestimmungen konnte das Problem jedoch nicht aus der Welt geschafft werden, denn man erörterte Verbindungsfragen zumeist auf persönlicher Ebene anstatt auf Sachlicher. Man wollte zwar kein strammes inneres Verbindungsleben führen, aber trotz dessen Glanz nach außen repräsentieren. Da das Eine nicht ohne das andere funktioniert, richtete man an zwei Abenden der Woche einen Fechtboden ein.

Kämpfe um die prinzipielle Grundlage und Ruhe nach den Stürmen. 1873-1882:

1876 wurde ein Anhang an das Prinzip durch interne Streitereien nötig: „Der Wingolf bekennt sich zu Christo, dem eingeborenen Sohn des lebendigen Gottes, erkennt damit die Gottheit Christi an und schließt deshalb bei Aufnahme und Belassung seiner Mitglieder diejenigen aus, welche obiges Bekenntnis leugnen.“ 1876 musste der Rostocker Wingolf zum dritten mal aufgelöst werden, wurde alsbald im selben Jahr wiedergegründet. Es herrschte entgegen des Anscheins Einigkeit und Bruderleibe während der Zeit.

Die Verbindung und ihre Philister:

Die Philister standen der Verbindung mit Rat und Tat zur Seite. So verhinderten sie zum Beispiel auf ihrem Philistertag in Bergedorf (1866) die vom Bund beantragte Entziehung des Stimmrechts des Rostocker Wingolf Der Philistertag wurde 1872 nach Schwerin verlegt.

Das Verhältnis zum Bund und zu Bruderverbindungen:

Der Rostocker Wingolf pflegte bis dato keine weiteren Kontakte zu Bruderverbindungen als mit Erlangen und Leipzig. Nach Entstehen des Greifswalder Wingolfs kam es natürlich auch hier zu Interaktionen. Man traf sich oft und öfter, denn es blieb nicht aus, dass neue Freundschaften entstanden. Im Jahre 1880 übernahm der Rostocker Wingolf die Vorortschaft, obwohl die geringe Aktivenzahl vielleicht eher dagegengesprochen hätte.

Die Verbindung in der Öffentlichkeit:

In der Zeit von 1866 – 1882 gewann der Rostocker Wingolf immer mehr an festen Boden, was man allein daran erkennt, dass das Farbentragen erörtert wurde, man sich durch äußerst knappe Konventsentscheidungen jedoch nicht dafür entschließen konnte. Immerhin ist das ein Indiz für das Selbstbewusstsein der Verbindung.

Neues Werden und Wachsen. 1882-1900.

Der Schritt in die Öffentlichkeit:

Ostern 1882, 8. Mai: Der Rostocker Wingolf entfaltete sein Banner frei auf Rostock Straßen, er legte öffentlich Farben an. Dieser Schritt wurde durch das Entstehen zweier Korps begünstigt, denn diese trugen natürlich ihre Farben öffentlich und dem wollte man in nichts nachstehen. Außerdem war das Verhältnis zu der Studentenschaft und den anderen Korporationen positiver geworden. Doch: unverhofft kommt oft, d.h. der Rostocker Wingolf löste sich zum vierten mal auf, obwohl sein Fortbestand als gesichert erschien.

Festigung und Ausgestaltung des Verhältnisses zu den Philistern:

1890 gründete man den Philisterausschuss, der zur großen Hilfe wurde, denn nicht nur, dass einige Philister sich um die Verbindung kümmerten, als wären sie noch aktiv; nein, sie richteten zudem noch eine Unterstützungskasse für die Verbindung ein.

Wechsel und Wandel im äußeren und inneren Leben:

Die Zahl der Aktiven schwankte nach der Wiedergründung im Sommersemester 1883 bis 1900 zwischen 3 und 20. Es wurden Professorenkneipen, Familienabende, Fecht- und Turnübungen eingeführt, die, begünstigt durch ein festes Kneipzimmer regelmäßig stattfanden. Ab 1894 trat durch eben dieses feste Kneipzimmer der innere Frieden ein, aber es verschwanden auch Institute wie die Exkneipe, die Inoffizielle Kneipe und der Sonntagsbummel. Vom 5.-7. Juni 1900 wurde das 50-jährige Stiftungsfest gefeiert, zu dem Gäste aus dem ganzen Bund kamen, geschätzte 181 Festgenossen, die natürlich nicht umhin kamen, Gesicht zu zeigen in den Straßen Rostocks mittels eines beeindruckenden Festzuges.

Der Rostocker Wingolf unter dem Einfluss der modernen Zeit. 1900-1913.

Das äußere Leben der Verbindung:

Ab 1900 hatte der Rostocker Wingolf keine Existenzsorgen mehr, er war sogar 1907 mit 20 Aktiven und 4 Inaktiven die viertstärkste Verbindung im Bund. Im Wintersemester 1903/04 übergab der Großherzog von Mecklenburg dem Rostocker Wingolf ein eigengestiftetes Banner, was die Kontakte zwischen Rostocker Wingolf und Fürstenhaus ausbaute. Neben 2 offiziellen Kneipen die Woche wurde Sport betrieben und gesellschaftliche Formen geübt. Es wurde ein Hausbau angestrebt.

Das innere Leben der Verbindung:

In dieser Zeit wurden die Mitglieder von der Verbindung so stark beansprucht, dass Forderungen nach nur noch 4 Semestern Aktivenzeit laut wurden. In der Vergangenheit war es so, dass man selbst nach dem Studium aktiv war und erst bei gesicherter Lebensstellung philistriert wurde. 1908 wurde die Satzung dementsprechend nochmals geändert.

Die Stellung der Verbindung zu den in der Gegenwart hervorgetretenen prinzipiellen Fragen:

1907 forderte der Berliner Wingolf aufgrund der sittlich-christlichen Grundlage des Wingolfsbundes absolute Keuschheit seiner Mitglieder. Der Rostocker Wingolf stimmte dem zu, d.h. wenn ein Rostocker Wingolfit bei unsittlichem Geschlechtsverkehr erwischt wurde war er nicht mehr länger haltbar für die Verbindung. Im Wintersemester 1911/12 wurde die Stofffreiheit eingeführt, d.h. man konnte wählen, ob man Alkohol trank oder nicht. In der Vergangenheit war zwar übermäßiger Alkoholkonsum verpönt, aber es bestand die Pflicht, bei offiziellen Anlässen Bier trinken zu müssen. Man stellte dann fest, dass auch geringer aber regelmäßiger Biergenuss gesundheitliche Schäden zur Folge haben kann.

Die Entwicklung bis 1938.

Hierüber gibt es wenige Quellen. 1913 wurde der Verein „Wingolfshaus“ gegründet und ein Haus in der Friedrichstr. 25 wurde bezogen. 1936 wurden Korporationen verboten, der WB vertagt. Zwei Jahre später begann die Liquidation der Philistervereine, die allerdings nicht ganz vollständig durchgeführt wurde, sodass der VAW sich nicht neu zu gründen brauchte. Im Zuge des Verbotes und der Liquidation wurde das Wingolfshaus 1938 verkauft. Der Rostocker Wingolf war auf Unbestimmt vertagt.

Der Clausthaler Wingolf „Catena“.

Gründung:

„Catena“ Clausthal wurde im Sommersemester 1950 als akademische Vereinigung gegründet. Der Anlass dafür war die 175-Jahrfeier der Bergakademie, auf der sich die 7 Gründungsmitglieder trafen und ihr Vorhaben beschlossen. Diese 7 Gründer waren: Albrecht Selige, Wilhelm Bielefeld, Franz J. Stühlemann, Klaus Bardenheuer, Heinz Hennecke, Karl-Heinz Prasse und Wolfgang Jancke. Noch in dem Sommersemester wurde die Aufnahme in den WB. beantragt.

Die Verbindung der Clausthaler „Catenen“ zum Rostocker Wingolf:

Die 3 Chargierten des Sommersemesters 1950, Selige, Hennecke und Stühlemann, wurden zu dem damaligen Vorort Göttingen eingeladen, um sich und ihre Verbindung vorzustellen. Auf diesem Treffen war auch die Philisterschaft des Rostocker Wingolf anwesend, die dort ihr 100. Stiftungsfest feierte. Sie boten den Clausthalern ihre Patenschaft an, die angenommen wurde. 1956 beschlossen die Rostocker Philister, den Clausthaler Chargierten das Rostocker Band zu verleihen, das sie bis zu ihrer Philistration tragen mussten. Sie konnten dann entscheiden, ob sie es behalten wollen oder nicht. Der Grund für diese Verleihung war, dass man bei eventueller Neustiftung des Rostocker Wingolf schon einen Philisterschaft zur Stelle hat. Diejenigen Clausthaler „Catenen“, die das Rostocker Band auch nach ihrer Philistration behielten, und dementsprechend auch Rostocker Philister waren, fassten im Laufe der Zeit den Beschluss, der Neugründung des Rostocker Wingolf entschieden behilflich zu sein, soweit dies die politischen und finanziellen Mittel zulassen würden. Das konnte natürlich erst nach dem Ende der DDR geschehen, da hier alle Arten von Korporationen verboten waren. Wie ernst und weitsichtig das Vorhaben der zweibändigen Philister war, ist allein daran abzusehen, dass am 5. Oktober 1991 der Hausbauverein des Rostocker Wingolf gegründet wurde, obwohl es aktive Rostocker Wingolfiten nachweislich erst 1995 gab.

Die Geschichte des Rostocker Wingolf ab 1995.

Vorraussetzungen für die Neustiftung:

Bbr. Kai Hardi Käppel, der als Gast des Hamburger Wingolf bereits mit der Idee des Wingolf vertraut war, schlug aus studientechnischen Gründen in Rostock auf. Im Studentenwohnheim lernte er Bbr. Dirk Plessow kennen, bei dem die Wingolfsidee auf fruchtbaren (geistigen) Boden stieß. Zusammen mit drei weiteren Studenten (die den Wingolf aber schnell wieder verließen) nahm man zuerst Kontakt mit der Patenverbindung in Clausthal-Zellerfeld auf. Froh über dieses Vorhaben stand man den Neugründern mit Rat und Tat zur Seite. Nachdem alle Unklarheiten beseitigt waren ging man frisch ans Werk und stiftete den Rostocker Wingolf am 8. April 1995 neu. Von den alten Rostocker Philistern wurden allerdings schon ab 1992 wieder Stiftungsfeste gefeiert.

Das Verbindungsleben bis 2000:

Die Verbindung, die, bedingt durch die geringe Mitgliederzahl wie schon so oft in ihrer Geschichte mehr ein Freundeskreis war denn eine Verbindung, traf sich die ersten 2 Jahre an jedem Mittwoch im Braukeller in einem separatem Raum. Noch 1995 kamen die ersten Fuxen sowie Burschen aus anderen Universitätsstädten. Man reiste sehr viel im Bund und nahm diese Reisen als Lehrzeit an, um die Geflogenheiten und Bräuche anderer Verbindungen kennen zu lernen. Aus diesem Wissen entstand im Laufe der Zeit die Satzung des Rostocker Wingolf 1998 nahm die Aktivitas eine Wohnung in der Parkstraße in Besitz und hatte somit nach der Neugründung ihren ersten eigenen festen Anlaufpunkt. Doch selbst diese Tatsache änderte nichts an den mäßigen Keilerfolgen der Verbindung.

Der weitere Verlauf bis Mitte 2002:

Ende Okt. 2001 war das Wingolfshaus „An der Hege 11“ bezugsfertig, nachdem, möglich geworden durch eine immens große Spende des Philister Hagemeyers, im Februar 2000 das Grundstück gekauft werden konnte und der Ausbau der auf dem Grundstück sich noch haltenden Ruine begonnen werden konnte. Durch den Besitz dieses Hauses wurde die Zahl der Aktivmeldungen erheblich forciert, denn es waren nicht weniger als 6. Und um nun den Hausbauverein, das schöne Haus und alles was dazu gehört in entsprechendem Maße zu würdigen, war es vom 26.-28. April 2002 an der Zeit, die Hauseinweihung vorzunehmen.

Quellen für diese Arbeit sind:

– Waitz, D. Hans (Hrsg.): Geschichte der Wingolfsverbindungen. Darmstadt: Verlag
des Verbandes alter Wingolfiten, 1914.
– Erinnerungsvermögen der Bundesbrüder Albrecht Selige, Kai Hardi Käppel und
Dirk Plessow.

Autor: Marcel B.